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Sich zu finden, hilft deinem Hund

  • Beitrags-Kategorie:Hundeerziehung

Mitte Mai 2022 hatte ich eine Begegnung, von welcher ich dir unbedingt erzählen möchte. Ich war zu einem 3-tägigen ‚Schulterblick‘ im Tierheim Viernheim. Unter der Leitung des Projekts SINL (Start ins neue Leben) werden dort ’schwere‘ Jungs und Mädels unter den Hunden, also Hunde mit Beschädigungsabsicht, umsorgt, geliebt und resozialisiert.

Das war nicht meine erste Fortbildung dort. Bereits im Herbst 2020 absolvierte ich dort einen Lehrgang zum Thema ‚Aggression bei Hunden‘.

Und dort traf ich damals auf einen Hund, welcher mich wieder an Ehrfurcht und Vorsicht erinnerte. Seelefant, ein staatlicher Rüde im besten Alter, mit gefühlten 40kg pure Muskelmasse. Seelefant kam als Bulldoggenmix ins Tierheim.

Seelefant Terrier Hund Maulkorb

Ich durfte ihn führen und war davon überzeugt, dass das kein allzu großes Problem darstellen würde. „Was soll schon sein. Ich hatte schon viele Hunde an der Leine. Auch die, mit Beschädigungsabsicht. Ich schaffe das!“, dachte mein Ego. Aber ich wurde eines Besseren belehrt.

Kaum hatte ich den Burschen, welcher mit zwei Maulkörben gesichert wurde, an der Leine, habe ich ihn unabsichtlich eingeschränkt. Ich fragte einfach nach Wiederholung eines Zurufes und drehte mich dabei so zurück, dass ich Seelefant den Weg versperrte.

Es dauerte nicht mal eine Sekunde und schon hat er angefangen mich zu attackieren. Er stieg auf die Hinterpfoten, klammerte sich mit seinen Vorderpfoten an meinem Rumpf fest und biss immer wieder zu. Ein Hoch auf die Maulkörbe!!!

Das Gute an der Sache: ich konnte körperlich seinen Attacken Stand halten.

Das weniger Gute: da ich verunsichert war und er das spürte, hörte er nicht auf. Er musste von 2 Pflegern quasi von mir gepflückt werden. Blöde Erfahrung für beide von uns. Wobei mein Ego wurde dadurch wieder gut ‚geerdet‘.

Nun, 1 1/2 Jahre später, hat sich Seelefant, Dank der bemerkenswerten Arbeit des gesamten SINL-Teams super entwickelt. Ich bin sicherlich nun ebenfalls einiges an Erfahrungen reifer.

Du ahnst schon: Ich durfte den Seelefant wieder führen.

Dieses Mal war ich aufgeregt, habe quasi auf die Attacke gewartet – die Erinnerung an unsere erste Begegnung war noch fest in meinem Gedächtnis verankert.

Und weil ich darauf gewartet habe, kam diese auch.

Nur dieses Mal wusste ich, dass ich ihn ausblenden muss. Ich musste meinen Puls, meine Atmung in den Griff bekommen. Die Erfahrung von damals zur Seite schieben. Ich plapperte mit meiner Trainerin, Frauke Loup, denn das Sprechen lenkt ab und beruhigt (mich zumindest :-)).

Und ja, es ist mir gelungen. Dieses Mal sogar verhältnismäßig schnell. Denn kaum bin ich bei mir angekommen, kam auch Seelefant zur Ruhe und ließ von mir ab.

Von da an hat er sich von mir führen und auch körperlich begrenzen lassen – an diesem Tag, zu diesem Zeitpinkt.

Eine tolle Erfahrung für mich! Und vor allem eine gute Erfahrung für Seelefant! Warum? Weil er lernen durfte, dass sein Aufstand nicht fruchtet, denn der Mensch hält mental stand und bleibt ihm gegenüber dennoch wohlwollend.

Jetzt denkst du bestimmt: „Ist ja ganz nett – aber warum erzählt sie das jetzt so ausführlich?“

Weil ich wieder erfahren durfte, was es bedeutet sich überfordert zu fühlen. Sich dem Hund nicht gewachsen zu fühlen. Der steigende Puls. Das pochende Herz. Die schwitzenden Hände.

All das, was auch vielleicht du erlebst, wenn es z. B. an Hundebegegnungen mit deinem Junghund geht.

Und ich durfte erfahren, dass zu sich selbst zu finden, sich selbst zu regulieren und damit Ruhe und Sicherheit auszustrahlen einem hilft, weil es schlussendlich dem Hund hilft.

Wenn ich es geschafft habe, dann schaffst du es auch!

Es gibt (fast) immer einen Weg. Man muss nur diesen sehen und gehen wollen.

DANKE lieber Seelefant, dass ich von dir und durch dich lernen durfte.

DANKE liebe Frauke, dass du mit so viel Geduld und Einfühlungsvermögen durch diese Situationen leitest und dabei hilfst, über sich selbst zu wachsen.

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