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Hundebegegnungen – von Anfang an entspannt gestalten

  • Beitrags-Kategorie:Hundeerziehung

Die Inhalte dieses Blogartikels:

Vorwort

Wenn es ein Thema gibt, welches uns Hundemenschen vereint und gleichzeitig kontrovers diskutiert wird, dann ist es wohl das Thema Hundebegegnungen.

Am Anfang oft zu sorglos angegangen, später gefürchtet. Dabei träumen wir doch alle vom entspannten Passieren anderer Mensch-Hund-Teams. Und die, die diesen Traum erreicht haben, werden wohl das eine oder andere Mal unverständlich den Kopf über einen an der Leine protestierenden Hund schütteln. Zu schnell vergisst man was war. Zu schnell verfällt man in das Verurteilen.

Eines können wir aber immer erkennen und sollten lernen dieses anzuerkennen: den wenigsten Menschen ist das (aus menschlicher Sicht unangebrachte) Verhalten ihrer Hunde bei Hundebegegnungen, egal. Fast alle versuchen auf ihren Hund einzuwirken, um dem empörten Toben an der Leine entgegenzuwirken. Mit mehr oder weniger Erfolg. Oft aus Unwissenheit und mangels an Geduld vermeintlich ‚falsch‘.

Wie entsteht Leinenaggression?

Aber hast du dich mal gefragt wie dieses Verhalten an der Leine überhaupt entsteht? Warum führen sich manche bei Argenossensichtung so auf, als würden sie diesen gleich zerfleischen. Andere wiederrum ziehen zielstrebig, ohne dabei auf das andere Ende der Leine zu achten, zum Artgenossen hin? Und wiederrum andere laufen gelangweilt, manchmal beinahe schon ‚angewidert‘ an Fremdhunden vorbei?

Nun, der wichtigste und größte Faktor ist und bleibt die Persönlichkeit des Hundes. Ein von Natur aus eher energischer Hund, wird auch viel Energie aufbringen, um seine Ziele zu erreichen. Ein eher gemütlicher Zeitgenosse wird da etwas langsamer, beinahe schon phlegmatisch, entgegentrödeln. Ein stürmischer Hund würde ungebremst und fordern Kontakt aufnehmen wollen, während ein zurückhaltender und vorsichtiger eher ruhige Kontaktaufnahme bevorzugen dürfte, um genügend Zeit fürs Kennenlernen zu bekommen.

Gerade in den ersten Monaten, im Welpen- und Pubertätsalter, werden oft die Leitplanken für spätere Hundebegegnungen gelegt.

Wird ein Welpe ungewollt jedem fremden Hund als lebendes Schnüffelobjekt vor die Nase gehalten, wird er diesen Überfall selten als angenehm empfinden und womöglich sich diese Überfallstrategie abschauen und später nachahmen.

Wenn ich die Welpenbesitzer darauf aufmerksam mache, dann heißt es oft: „Aber mein Welpe freut sich doch! Er wedelt mit der Rute und lässt sich freudig beschnuppern.“ Nun, was soll der Welpe denn sonst machen, ist er sich doch seiner Größe und seiner Kräfte bewusst. Während der Schüchterne den Überfall über sich ergehen lässt, wird der zum Übermut neigende Welpe sehr fordernd seinen Artgenossen entgegentreten. Eine unnützliche Lernerfahrung für beine Hundetypen.

Sehr häufig wird jeder Hundekontakt beim Gassigehen mitgenommen. Es wird doch so empfohlen! Der Hund ist glücklich ausgepowert! Und außerdem gibt es ja noch den Welpenschutz (gibt es nicht! nicht immer! aber dazu mehr und ausführlicher im nächsten Blogartikel).

Ja, so lernt der Hund auch die Hundesprache. Ja, so findet eine Sozialisierung auch statt. Nur was dabei NICHT gelernt wird, ist das was der erwachsene Hund später unbedingt braucht:

  • Mensch als sicherer Hafen
  • Nicht jeder Hund bedeutet Aufregung (ob positiv oder negativ)
  • Andere Hunde haben auch eine Daseinsberechtigung
  • Mensch ist ebenfalls ein wertvoller Sozialpartner und Spielpartner
  • Gute Benimm-Regeln unter Hunden

Jetzt denkst du dir bestimmt: „Na super, wieder jemand der Hundekontakte einem madig redet!“.

Jain! Ich sage JA zu Hundekontakten. Diese sind für ein gutes Sozialverhalten unserer Hunde von enormer Bedeutung und sind wie Balsam für die Hundeseele. Ich sage aber auch NEIN zu ungeprüften, unerwünschten Hundekontakten. Gerade im Junghundalter. Für mich geht hier Qualität auf jeden Fall VOR Quantität.

„Und wie soll das jetzt aussehen? Da Draußen sind so viele Hunde! Soll ich jetzt jeden wegschicken?“

Lass mich dir mit meiner Empfehlung zur Vorgehensweise und der damit verbundenen Vorteile antworten, danach darfst du entscheiden, ob es für dich und deinen Hund nachvollziehbar ist und passt.

Welpe zieht ein

Empfehlung: Hier empfehle ich dir tatsächlich keinen Fremdhund ohne deine ausdrückliche Erlaubnis zu deinem Welpen zu lassen.

Bei Hund auf Sicht laufe entspannt weiter, behalte jedoch den Fremdhund im Auge.

Sollte sich der fremde Hund euch sehr zielstrebig und energisch nähern, ohne dass sein Halter eingreift (eingreifen kann), dann schicke diesen Hund weg! Je energischer der Hund, desto früher musst du anfangen, diesen Hund wegzuschicken. Du siehst, Wegschicken zu lernen, ist eines der wichtigsten Fähigkeiten für frischgebackene Hundeeltern.

Unterhalte dich immer zuerst mit dem anderen Hundehalter. Frage, ob sein Hund Welpen kennt und mag (!). Ob sein Hund einen guten Rückruf hat. Beobachte dabei den Fremdhund. Ist er entspannt? Denkst du dir, so soll sich mein Welpe später auch verhalten! Dann kannst du einen Sozialkontakt erlauben. Idealerweise wartest du ab, bis dein Welpe nicht mehr so aufgeregt ist und entlasse ihn in den Hundekontakt ganz ruhig und gelassen.

Nun ist die Kunst zu unterscheiden, ist noch alles im Rahmen. Ist der Fremdhund freundlich? Ist mein Welpe freundlich? Ist einer von beiden überfordert? Dann darfst du im richtigen Moment eingreifen. Deinem Welpen Schutz bieten oder eben ‚auf die stille Treppe‘ schicken.

Vorteil: Wenn du so vorgehst, wirst du automatisch Begegnungen haben, welche ihr einfach passiert und/oder nach einem Austausch zwischen Menschen, die Hunde ohne Kontakt weiterziehen dürfen. Andere Hunde werden alltäglicher und nicht automatisch mit hoher Energie verbunden. Bei unerwünschten Kontakten lernt dein Hund, dass er bei dir Sicherheit und Schutz erfährt.

Empfehlung: Übrigens empfehle ich dir ausdrücklich in diesem Alter eher Kontakte zu souveränen erwachsenen Hunden mit einem guten Rückruf zu suchen.

Vorteil: Dein Hund lernt ein souveränes Hündisch (und nicht Teenie-Ghetto-Hündisch-Slang) und du baust von klein auf einen Rückruf aus dem Hundekontakt auf. Denn kommt der erwachsene Hund, kommt zu 99,9% auch dein Welpe, du musst dieses Kommen nur noch benennen und belohnen.

Empfehlung: Hast du eine sehr große oder eine sehr kleine Hunderasse? Dann wäre es gut, wenn du im Welpenalter ein ruhiges, am Kontakt desinteressiertes, Gegenstück findest (z. B. Doggenwelpe trifft auf erwachsenen Dackel oder Chihuahuawelpe trifft auf einen erwachsenen gelangweilten Rottweiler).

Vorteil: Auch kleiner Hund wird als Hund (und z. B. keine Beutetier) abgespeichert. Und ist gleichzeitig nicht interessant. Das beugt wiederrum später Verletzungsrisiko beim Zusammentreffen zwischen Riese und Mini vor.

Teenie-Alter

Empfehlung: Auch hier empfehle ich dir so vorzugehen wie im Welpenalter. Nur, dass die Kontakte nun spielfreudiger sein dürfen.

Es ist an der Zeit, dass sich dein Hund nun ausprobieren darf. Dass er seinen Platz in der Hundewelt findet. Seine Wirkung auf Artgenossen erfährt. Leider wird zu oft oder zu spät in eine Hundeinteraktion eingegriffen.

Damit das so wichtige Ausprobieren gemäßigt abläuft, empfehle ich dir 3 bis 4 gute Sozialkontakte für deinen Hund zu suchen. Verabredet euch ab und an zum Gassigehen. Ausprobieren findet auch beim Spielen statt. Das richtige Spiel findet jedoch unter Freunden statt. Unter Freunden, welche gegenseitige Grenzen kennen, diese ab und an austesten, aber letztendlich respektieren.

Aber auch hier bitte nicht übertreiben. 3 bis 4 (Spiel)Kontakte pro Woche reichen vollkommen aus für eine gute Sozialisierung.

Im Teenanger-Alter entwickelt sich im Übrigen bei allen Hunde das natürliche und gesteigerte Interesse an Artgenossen. Ob nun alle Kontakte zugelassen oder nicht. Nur ist das Verfolgen dieses Interesses für den Hund umso erstrebenswerter, wenn er bisherige Hundekontakte in Extremen erlebt hat, entweder ungefiltert oder gar nicht. Daraus entsteht häufig die erste Leinenaggression: Entweder aus Frust nicht hinzudürfen oder aus Prävention (bevor du mich wieder überrennst, verbelle ich dich lieber).

Gestalte gerade in dieser Phase, die Begegnungen möglich entspannt. Lass deinen Hund beobachten. Warte den richtigen Zeitpunkt ab, wenn dein Hund die Aufmerksamkeit vom anderen Hund abwendet und biete ihm eine Alternative. Lass ihn was suchen. Lass ihn über etwas klettern. Oder warum auch nicht deinen Hund zum Spiel auffordern.

Den anderen Hund wahrnehmen aber sich nicht im Hinstarren zu verlieren, das ist die Kunst. Hierbei darfst du deinen Hund unterstützen indem du ihm Entspannung vorlebst.

Kenne deinen Hund

Das Wichtigste ist jedoch, deinen Hund zu beobachten und kennenzulernen:

  • Welcher Typ ist mein Hund? Eher ruhig und schüchtern? Oder voller Energie und Tatendrang?
  • Wie ist er in Hundekontakten? Eher zurückhaltend? Oder sehr fordernd?
  • Welche Hundetypen regen meinen Hund auf?
  • Welche Hundetypen findet er langweilig?
  • Welche Hundetypen tun ihm gut?
  • Wie ist er aus Hundekontakten abrufbar?
  • Wann findet ein Spiel statt?
  • Wann wird gemobbt?
  • Kann ich auf meinen Hund auch auf Entfernung Einfluss nehmen?

Vorteil: Mehrere Monate beobachtet. Mehrere Male nachjustiert und ausprobiert. Du bist souveräner geworden, da du nun deinen Hund einschätzen kannst. Und für deinen Hund bist du nun verlässlicher, denn er erkennt immer mehr Vorteile in seinem menschlichen ‚Fels in der Brandung‘.

Auf dem Weg ins Ziel

Ich will ehrlich sein. Das Leben wie oben beschrieben, ist für den Menschen anstrengender als den Hund machen zu lassen. Aber so viel wirkungsvoller für später. Und was sind schon 1 1/2 bis 2 Jahre im Vergleich zu 10 bis 15 Jahre mit deinem erwachsenen coolen Hund.

Zwischen 1 1/2 und 2 Jahren, kommt der Zeitpunkt an welchem die meisten meiner Kunden über meine Aussage staunen. Auf einmal ‚erlaube‘ ich, den eigenen Hund in den Kontakt zu einem ankommenden ‚Tut-Nix‘ zu entlassen. Der eigene Hund darf nun so viel mehr. Das Leben fängt nach und nach leichter zu werden. Wir nähern uns der Realität – und diese sieht nun mal so aus, dass da Draußen viele Hunde ohne menschliche Einflussnahme in die Hundekontakte gehen.

DU hast dir aber in der Zwischenteil einen riesigen Vorteil hart erarbeitet:

  • Du kannst, wenn es darauf ankommt, andere Hunde auf Abstand halten
  • Dein Hund kann sich bei Hundekontakten zurücknehmen
  • Dein Hund sucht, wenn nötig, aktiv Schutz bei dir
  • Dein Hund ist sozialverträglich und spricht Hoch-Hündisch
  • Du kannst andere Hunde und die hündische Interaktion einschätzen
  • Dein Hund ist abrufbar
  • Du bist für deinen Hund ein wertvoller Sozialpartner aber auch lustiger Spielpartner

Hört sich alles leichter an, als es die Umsetzung im oft stressigen Alltag oder überhäuften Hunde-Gassistrecken aussieht.

Aber es ist machbar und vor allem lohnenswert! Für dich! Für deinen Hund! Für euren entspannten Alltag!

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