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Faktor Generalisierung in der Hundeerziehung

  • Beitrags-Kategorie:Hundeerziehung

Vorwort

Ist es dir schon mal aufgefallen, dass dein Hund ein anfänglich nur in bestimmten Situationen gezeigtes oder trainiertes Verhalten, nach einer gewissen Zeit plötzlich auch in anderen Situation zeigt? Ein Beispiel dafür wäre, dass nach einem anfänglich lediglich Zuhause aufgebauten Deckentraining, dein Hund sich mit der Zeit auf allen Unterlagen, welche du ihm hinlegst entspannen kann, und das überall.

Für diesen Übertragungseffekt ist Generalisierung als Teil des Lernprozesses verantwortlich. Und das kann vom großen Nutzen sein, jedoch auch für unerwünschte Nebenwirkungen sorgen.

Aber klären wir erst mal was Generalisierung genau bedeutet.

Die Inhalte dieses Blogartikels:

Was versteht man unter Generalisierung

Generalisierung gehört zur Klassischen Konditionierung in der Lerntheorie. So stellte Pawlow (rus. Psychologe und Begründer der behavioristische Lerntheorie) fest, dass wenn einem Hund das Futter gereicht wurde und zugleich stets ein Glockenton erklang, der Hund nach einigen solchen Futtergaben begann, schon allein nach dem bekannten Glockenton Speichelsekretion zu bilden. Hier fand eine Generalisierung eines Reizes statt.

Pawlow stellte in seinen Untersuchungen fest, dass die Speichelsekretion auch durch einen Reiz ausgelöst wird, der dem Klingelzeichen ähnelte: Eine Reizgeneralisierung hatte stattgefunden. Der Hund reagierte jetzt auch nach dem Ertönen eines Gongs oder Flötentons mit einer Speichelsekretion. Die Generalisierung bzw. der Generalisierungseffekt ist ein Prozess: „[…] bei dem der Organismus auch auf Reize reagiert, die dem konditionierten Reiz ähneln; es bedarf keiner zusätzlichen Konditionierung für jeden ähnlichen Reiz.“ (Quelle: Wikipedia – Reizgeneralisierung).

Generalisierung kann unerwünschtes Verhalten fördern

Ein gutes Beispiel dafür sehen wir bei Hundebegegnungen im Junghundalter. Durfte z. B. dein junger aufgeschlossener Hund im Welpenalter zu allen Artgenossen im eigenen Gassigebiet ungefiltert Kontakt aufnehmen, so konntest du ihn anfänglich noch leiten und hattest wahrscheinlich noch seine Aufmerksamkeit. Verliefen nun die Kontaktaufnahmen voller Energie, Erregung und ohne Pausen, bekam dein Welpe eine Dosis körpereigener Drogen (Endorphin und Adrenalin), welche in aufregenden Situationen ausgeschüttet werden und dem Hund einerseits Mut, andererseits gutes Gefühl verleihen. Mit der Zeit verknüpft das junge Hundegehirn jeden Artgenossen mit diesem Hoch der Gefühle. Mittlerweile in der Pubertät angekommen, fängt dein Hund nun an zu jedem anderen Hund unaufhaltsam zu ziehen. Er ist nicht mehr ansprechbar und fordert die Kontaktaufnahme lautstark ein. Das alles nun unabhängig vom Ort der Hundesichtung.

Ein weiteres Beispiel findet ebenfalls unbemerkt statt. Wie oft entschuldigen wir das Leinenziehen unserer Hunde z. B. mit der aktuellen Wetterlage? Vielleicht hast du dich dabei auch schon mal ertappt: „Uff, heute hat er aber an der Leine gezerrt, als hätte er aller verlernt. Naja, es schneit ja. Er war so aufgeregt. Schnee kennt er ja noch nicht“.

Diese ‚Entschuldigen‘ oder auch Ausreden, werden auch gerne auf andere Faktoren übertragen: „… Naja, es ist windig…“, „… Naja, es ist der Strand…“, „… Naja, das ist das Meer…“, „… Naja, hier waren wir noch nie…“, usw.
Ganz ungewollt findet hier eine Generalisierung statt. Unsere Hunde ziehen nun bei jedem Wetterumschwung, bei jedem unüblichen Bodenbelag und in jeder neuen Umgebung. Tja, und irgendwann ziehen sie immer, überall.

Generalisierung findet also oft unbemerkt, anfänglich ungeplant und ungewollt statt.

Sind wir uns jedoch dieses Lernprozesses bewusst, können wir diesen auch wunderbar und gezielt für die Erziehung unserer Hunde nutzen.

Beispiele für Nutzen der Generalisierung

Mein geliebtes körpersprachliches Deckentraining ist ein tolles Beispiel dafür, wie eine gezielte Generalisierung den Alltag für Mensch und Hund vereinfachen kann.

Hat ein Hund einmal das Signal DECKE Zuhause mit einer bestimmten emotionalen Lage verknüpft (nämlich wohlige Langeweile, Entspannung, Schlaf), kann mit Hilfe der Generalisierung die DECKE nun zum Ort der Entspannung überall werden. Ob nun bei Freunden zu Besuch, ob im Restaurant, ob im Biergarten, der Hund kommt schnell zur Ruhe, kann entspannen. Dieses sorgt wiederum für unsere Entspannung. Ein Hund, welcher sich schnell entspannen und zurücknehmen kann, hat mehr Lebensqualität und darf eben mehr an unserem Alltag teilnehmen.

Das Thema Hundebegegnungen bildet nicht nur ein negatives Beispiel der Generalisierung. Wird die Generalisierung hier bewusst eingesetzt, so werden Hundebegegnungen viel leichter, für beide Parteien.

Ein Welpe oder ein junger Hund, welcher von Anfang an lernt, dass Artgenossen keiner großen Aufregung wert sind, wird entsprechend Fremdhunde mit anderen Emotionen verbinden. Gerade Welpen sind anfänglich bei fremden Hunden oft eher zurückhaltend und abwartend. Diese Zurückhaltung dürfen wir weiter fördern, indem wir unseren jungen Hund hinter uns ‚parken‘, ruhig loben, während wir uns mit anderen Hundehalten unterhalten. Und sollte ein ausgewählter Sozialkontakt stattfinden, dann erst erst aus der Emotion der Ruhe. So bringst du deinem Hund bei, dass andere Hund nicht automatisch eine Kontaktaufnahme bedeuten. Sicherlich ist das komplexe Thema der Hundebegegnungen hier vereinfacht dargestellt, bildet es dennoch ein gutes Beispiel für das Thema Generalisierung. Übrigens mehr zum Thema Hundebegegnungen findest du in diesem Blogartikel (hier).

Generalisierung in der Hundeerziehung fördern

Wie alles im Leben hat auch der Faktor Generalisierung seine Vor- und Nachteile. Auch wenn Generalisierung also oft ungeplant, anfänglich unbemerkt und ungewollt stattfindet, so können wir diesen Lernprozess auch für uns nutzen und gezielt einsetzen.

Ob das genannte Beispiel des Deckentrainings, der Leinenführigkeit oder der Hundebegegnung, Generalisierung lässt sich in vielerlei Erziehungsfeldern einsetzen.

Zuallererst muss Mensch sich dieser Art der Konditionierung bewusst werden und im Alltag erkennen, wann welcher Lernprozess entsteht und ob dieses konditionierte Verhalten aus menschlicher Sicht gewünscht oder unerwünscht ist.

Hunde lernen kontextbezogen, d. h. sie verknüpfen eine Lernerfahrung (Ruhe auf der Decke) anfänglich mit nur einem bestimmten Ort (Zuhause), einem bestimmten Geruch (Eigenduft), einem bestimmten akustischen Signal (Wort: DECKE).

Ist die Grundkonditionierung zuverlässig aufgebaut (z. B. dein Hund geht auf die Decke, sobald er DECKE hört und entspannt sich), kannst du mit dem Generalisieren starten.

Um eine Generalisierung zu erreichen, muss diese Lernerfahrung auf diverse Variablen übertragen werden (ich bleibe hier beim Beispiel Decke):

  • Ort und Untergründe: Nimm deine Decke nun mit und schicke deinen Hund darauf, sobald du Rast machst, ob im Garten, an einer Waldbank, auf dem Feld, bei Freunden, im Restaurant oder im Biergarten. So lernt dein Hund nach und nach, dass die Decke auch außerhalb der eigenen vier Wände Ruhe bedeutet.
  • Tages- oder Jahreszeit: Ob es nun draußen dämmert oder die Morgenröte den Himmel färbt, ob nun Frühjahr, Sommer, Herbst oder Winter, setze auch hier bewusst die Decke ein und mache kurz Rast. Hier nimmt dein Hund die Lernerfahrung mit, dass Decke als Ort der Ruhe unabhängig der Uhrzeit oder Jahreszeit gilt.
  • Belebte oder unbelebte Reize: Belebte Reize (wie Menschen oder andere Tiere), sowie unbelebte Reize (z. B. fallende Blätter) sind für einen jungen Hund oft schwer auszuhalten. Das junge Gehirn ist oft noch nicht in der Lage diese Reize zu filtern und auszublenden. Gerade bei bewegten Reizen findet schnell eine Überreizung statt und der Lernprozess wird blockiert. Gehe deswegen langsam mit der Steigerung der Reizlagen um. Anfänglich sind es die Reize, welche in zumutbarer Entfernung wahrgenommen werden, während dein Hund auf der Decke ist. Nach und nach wird die Entfernung zum Reiz verringert und die Reizlage gesteigert.
  • Geräusche und Gerüche: Diese Generalisierung findet quasi nebenbei statt. Denn jeder Ort, jeder Untergrund, jede Tages- oder jede Jahreszeit und natürlich jeder lebende Organismus seinen eigenen Geruch mit sich bringt und für unterschiedliche Geräuschkulisse sorgt.

Ist diese Mühe überstanden, so wird dein Hund alleine beim Wort DECKE entspannen, obwohl seine Decke nicht dabei ist. Er wird sich aber auch auf eine beliebige Unterlage legen, sobald du diese auslegst, ohne dabei das Wort DECKE sagen zu müssen. Übrigens unter anderem das körpersprachliche Deckentraining ist ein Bestandteil meines Online-Kurses Orientier-dich-Hund (hier kannst du dich auf die Info-Liste setzten lassen).

Du siehst, Generalisierung passiert, ob wir möchten oder nicht. Warum also diese nicht bewusst für sich nutzen 🙂

Und? Welche Verhaltensweisen hat dein Hund bereits generalisiert?

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